Neunzigster von Opa
St. Goar, 05.04.2015
„Nach neunzig Einheiten in die Verlängerung“
Die Elbe seit der Eiszeit fließt
vorbei an Hamburg und Neufeld,
sich dort am Deich ins Meer ergießt,
wo einst das Stammhaus hingestellt.
Gegen Orkan und Sturmesflut
beruhigt nen Jens sein Salz im Blut.
Der Großvater verschiffte Torf
elbauf, elbab in seinem Ewer,
sein Sohn, der zog nach Eppendorf,
er blieb an Land, denn er war clever;
und machte Geld im Bankenwesen,
sien Fru, die Anna, lehrte Lesen.
Die Republik von Weimar schwankt,
der Kanzler ahnt es mit Gestöhne:
ist an Inflation erkrankt!
Doch Opa Thetsche wiegt zwei Söhne.
Eilt heim nach Dienst vom Bankenschalter,
küsst erst den Günter, dann den Walter.
Ein wenig größer sind die beiden,
als Günter hält sich Agamemnon,
der Ratte Haar lässt Walter leiden,
früh zeiget sich das Asthma schon.
Bio, Mathe und Physik
sind dagegen Günters Glück.
Krieg geht aus vom Deutschen Reich,
die Uniform macht alle gleich.
Auch Günter trägt den grauen Zwirn
des Grenadiers – er tuts nicht gern.
Das Abi hat – doch sehr vermisst er
der Jugend Freiraum im Tornister;
und selbst der Vers wird jetzt zum Knittel:
das passt zu Gleichschritts grauem Kittel.
An der Front Granatbeschuss
Günter trifft es, das ist bitter,
doch noch vor dem Friedensschluss
ist das Lazarett sein Retter.
Hinter russschem Stacheldraht
durch die Diagnose „Ruhr“
er erhält die Heimatfahrt
an Kilo wiegt er 40 nur.
Nächte noch als Obstbaumwächter,
dann die Uni hoch in Kiel.
Er studiert die Fischgeschlechter
und der Heringszüge Ziel.
Karlsruhe bringt erstes Geld
und der Klapperstorch jetzt schellt.
Mit Constanze, seiner Gattin,
legt er erst den blonden Matthes,
den noch hellren filius Pit hin:
ja, der junge Doktor hat es
wozu das Glück den Mann verpflichtet:
Baum gepflanzt und Haus errichtet.
In Confluentia bei der Römerbrück
liegt sein erster Dienstbezirk.
Freitags geht es noch nach Trier,
Feierabend ist nie vier,
Fischbesatz und Stauwehrstufen
Gifteinleitung sonntags (!) rufen.
Im Urlaub lockt nicht ferner Schnee,
sommers geht’s zum Weissensee!
Früher wars auch Timmendorf,
im Alten Land riecht es nach Torf.
Ist´s allzuweit, brummt er mit Grausen:
„Am schönsten ist´s in Udenhausen!“
Hausmusik und Traktorfahren,
so meint Günter mit den Jahren,
schenke Glück, Zufriedenheit
die wahre Lust hinieden heut
schenkt – Ihr wisst´s seit Jahren schon,
die Erde-Mond-Konstellation,
sie gibt den Fischen Wegsignale
allen voran dem Wanderaale.
Man sagt, das Leben gleich dem Fußball sei:
Mit 90 sei das Spiel vorbei …
Doch Löw, der Bundestrainer, spricht:
Ein solches Match, das endet nicht,
wenn es zuvor nicht abgepfiffen …
Das haben jüngst erst wir begriffen!
Oft gegen Ende fangen dann
die spannendsten Momente an;
wenn nämlich in der Nachspielzeit
Frau Ursula macht sich bereit,
Euch beiden gibt es neuen Schwung:
jetzt geht’s in die Verlängerung …